Als du zum letzten Mal mit deinen Fingern sanft durch meine Haare fuhrst, war’s mir, als ob tausend Nadeln …
| Exorzismus
Als du zum letzten Mal
mit deinen Fingern
sanft durch meine Haare fuhrst
war’s mir, als ob tausend Nadeln
den Rücken hindurch
in mein Herz stachen
Ich rasierte ein M
wie Martha
auf meinen Kopf
ritzte mit einem Teppichmesser
feine Linien in Arme und Oberschenkel
und verschmierte das Blut
über Brust und Bauch
Mit einer glühenden Zigarette
drückte ich zwei Wundmale
in beide Handflächen
das Messer ruhte eine Minute lang
an der Halsschlagader
bevor ich es auf den
kippenüberquellenden Tisch
schmiss
Nackt warf ich mich in den Schnee
des Gartens
wälzte mich
wie ein vergifteter Hund
hin und her
und wartete, bis ich mich
steifgefroren kaum noch rühren konnte
Mit zwei Flaschen Bourbon
legte ich mich ins Bett
das immer noch nach deinem Parfüm roch
ich dämmerte, schlief, fieberte
in wilden Träumen erschienst du mir
mal lachend, dann höhnend
am Ende mit erkaltetem Blick
Und immer wieder Bourbon
Als ich nach einer Woche erwachte
war ich abgemagert
spitze Rippen bohrten durch weiße Haut
pechschwarze Ringeunter
juckenden Augen
Schwindelgefühl bei jedem Schritt
auf wachsweichenBeinen
Mit der ersten Tasse Kaffee
verflog dein Geruch
bei der zweiten vergaß ich wie du aussahst
während der dritten konnte ich mich
an deinen Namen nicht mehr erinnern
Ich weiß nicht
wie oft ich den Exorzismus
noch überleben werde
© H.H./ 2015
Bild: AnnaliseArt auf pixabay
Man möchte weinen …