Wenn die Gerichtsvollzieherin 3x klingelt (Teil 2)

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Manus Ratenzahlung wird plötzlich zu meiner Ratenzahlung, und ich bin am Ende 500 Piepen los.

»Manu, sei vernünftig! Eine Vorführung durch die Polizei wirst du doch nicht wollen«, gab ich zu bedenken.
»Du hast leicht reden, Herr Oberschlaumeier. Dann leg du doch die fünfhundert Piepen für mich auf den Tisch. So eine Geste stünde dir ohnehin gut zu Gesicht. Frisst und säufst dich seit Monaten auf meine Kosten durch. Kein Wunder, dass ich komplett verarmt bin.«
»Das ist eine Menge Holz.«
»Können Sie nicht ihn statt meiner mitnehmen? Der Kerl ist ein übler Schmarotzer und selber bis über beide Ohren verschuldet. Dann hätten sie zumindest einen, der Ihnen heute Nachmittag in Ihrem Büro Gesellschaft leistet.«
»Ich schlage vor, dass Sie kurz bilateral diskutieren, wie wir das kleine Problem lösen.« Frau Wagenknecht trommelte ungeduldig auf ihre Uhr, um anzudeuten, dass ihre Zeit nicht endlos war.
Manu verstand den Hinweis und schwankte ins Schlafzimmer.

»Herr …?«
»… Hirsch.«
»Herr Hirsch, wenn Sie bitte Ihrer Verlobten erklären könnten, sich einen Bademantel überzuwerfen. Freier Oberkörper und ungeduscht wie Sie ist okay für mich; aber völlig nackt und neben der Spur wie Frau Monschau ist dann doch einen Deut zu heftig.«
»Der Drecksack ist überhaupt nicht mein Verlobter. Kommt hier einzig aus dem Grund vorbei, meinen Kühlschrank leerzutrinken und mit mir zu vögeln«, rief Manu aus dem Nachbarraum. Ich zuckte mit den Schultern und Frau Wagenknecht blickte peinlich berührt nach oben an die Decke.

Mit der dunklen Vorahnung, dass der Schwarze Peter an mir kleben bleiben würde, schlurfte ich Manu hinterher, um die unangenehme Angelegenheit mit ihr zu bereden.
»Was ist nun? Hilfst du mir aus der Bredouille oder nicht?« Sie zerrte an meinen Schultern und zerkratze mir die Oberarme.
»Äh, gerne tue ich es nicht. Denn die Kohle fehlt mir dann nächste Woche, um meinen Gerichtsvollzieher zu bezahlen.«
»Bis dahin fließt noch viel Wasser den Rhein hinunter. Dir wird schon was einfallen, wie du den Blutsauger besänftigst. Bist doch immer sehr erfindungsreich, wenn es um Ausflüchte geht.«
»Okay, ich spring dir bei.«
»Henning, du bist ein Schatz. Habe ich doch gleich gewusst, dass du ein großes Herz besitzt.«
»Du musst dich aber die nächsten zwanzig Minuten alleine mit Frau Wagenknecht unterhalten. Ich marschiere jetzt zum nächsten Geldautomaten; das dauert eine Weile. Und zieh dir was an. Die Dame ist nervös, weil du komplett nackt durch die Wohnung turnst.«
»Die soll sich nicht so spießig anstellen. Ist ohnehin eine Lesbe. Habe ich sofort geschnallt.«
»Dann müsstest du ihr eigentlich gefallen; oder?«
»Ich bin der zu hübsch und feminin. Die steht eher auf muskulöse Mannweiber.«
»Aha.«

»Auf den ausgestandenen Schreck lass uns was trinken!«

Als ich zurückkehrte, war Manu gerade damit beschäftigt, sich die Nägel zu lackieren und Frau Wagenknecht telefonierte. Ich blätterte fünf Riesen auf den Wohnzimmertisch, ließ mir von der Gerichtsvollzieherin eine Quittung aushändigen und steckte die in meine Hosentasche.
»Ich komme dann in vierzehn Tagen wieder, um die nächste Rate zu kassieren.«
»Aber bitte nicht so zeitig wie heute.« Manu wirkte erholt und wurde deshalb vorlaut.
»Es war zwölf Uhr, als ich bei Ihnen klingelte. Von früh kann also keine Rede sein.«
»Ich hatte gestern eine harte Nacht«, erklärte Manu und schlug die Tür hinter Frau Wagenknecht zu.

»Endlich ist die dusselige Kuh weg. Die verpestete mit ihrem billigen Parfüm meine schöne Wohnung.«
»Ich fahre jetzt nach Hause.«
»Willst du nicht bei mir bleiben? Ich koche uns was Leckeres.«
»Was denn? In deiner Tiefkühltruhe herrscht gähnende Leere.«
»Na und? Dann gehst du halt vorher einkaufen. Oder ich bestelle uns was beim Chinesen.« Manu hatte sich wieder ausgezogen und stand nackt vor mir.
»Lass gut sein. Mein Schädel brummt noch von der Orgie gestern Nacht, und der Magen revoltiert beim bloßen Gedanken an feste Nahrung.«
»Dann trinken wir eben was auf den Schreck.«
»Ein anderes Mal. Nicht heute.«
»Du bist ein richtiger Schlappschwanz geworden, Henning. Dann rufe ich eben Ritchie an. Der wird mich sofort besuchen. Außerdem ist er nicht so knauserig wie du.«
»Dafür schlägt er dich, wenn er besoffen ist.«
»Mir wurscht. Ich will heute Abend nicht alleine sein. Wirst mich nachher sicherlich am Telefon anwinseln, ob du nicht doch bei mir im Bett schlafen darfst.«
»Für fünfhundert Euro kann ich auch eine ganze Nacht im Puff feiern.«
»Tust du eh nicht«, kicherte sie. »Bist du viel zu geizig für.«
»Ciao Manu. Ich mache mich jetzt auf den Weg. War ein netter Abend mit dir.«
»Wirst du wiederkommen?«
»Mal schau‘n. Auf jeden Fall nicht so bald.«

»Bin ich dir denn absolut egal?«
»Das nicht. Aber gemeinsam mit dir stürze ich immer ab. Das macht meine Bauchspeicheldrüse nicht mehr lange mit.«
»Bauchspeicheldrüse, papperlapapp. Scheiß drauf! Oder bist du etwa ein wehleidiger Hypochonder?«
»Zumindest hänge ich an meiner Gesundheit.«
»Als Alkoholiker. Mach dich doch nicht lächerlich.«
»Ich geh jetzt.« Ich küsste Manu zum Abschied auf den Mund.
»Spätestens übermorgen bist du wieder bei mir.«
»Woher willst du das so genau wissen?«
»Weil du mich liebst, Henning. Das spüre ich.«

Ich nehm mir mal wieder Abstinenz auch bei den Frauen vor

In der S-Bahn, die vierzig Minuten von Manus ländlicher Idylle bis zum Hauptbahnhof benötigte, dachte ich nach. Was, wenn ihre Vermutung zutraf, und ich sie tatsächlich liebte? Das durfte nicht sein. Zwei Säufer in einer Beziehung bedeutete dasselbe wie ein Todesurteil. Da konnte ich jetzt schon den Notarzt für meinen nächsten Besuch bei ihr reservieren. Ich beschloss spontan, mich nie mehr bei ihr zu melden. Zumindest nicht so schnell. Vielleicht in ein paar Wochen wieder. Besser erst in einigen Monaten. Erleichtert stieg ich an Gleis 7b aus dem Zug und spazierte durch den kleinen Park am Westufer des Flusses zurück in mein Apartment, in dem sich die Flaschen stapelten.

Dass ich noch am selben Abend bei Manu aufkreuzte – dafür konnte ich beim besten Willen nichts. Sie rief mich aufgeregt an und erklärte, dass ein Notfall vorläge. Blödmann Ritchie würde pöbeln und randalieren. Da wäre ihr ein geiziger – jedoch harmloser – Typ wie ich in der Wohnung allemal lieber als der betrunkene Hooligan. Ich könnte gerne bei ihr übernachten, müsste allerdings vorher dafür Sorge tragen, dass ich den Krawallmacher aus dem Haus komplimentierte. Das aber ist eine neue Geschichte, die ich gerne ein anderes Mal erzählen werde.

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Bild von Wolfgang Claussen auf Pixabay

Henning Hirsch

Betriebswirt und Politologe, Comicleser, Filmjunkie, Bukowski- und FC- (es gibt nur einen FC: nämlich den aus Köln) Fan, trockener Alkoholiker. In die Abstinenz startete er mit einem Roman: Saufdruck. Seitdem tippt er abends Kurzgeschichten und Gedichte. Da die Schreiberei alleine nicht satt macht, verdient er tagsüber seine Kaltmiete und die Kühlschrankfüllung mit Marketing & Orga. Henning Hirsch lebt im Bonner Süden und ist Vater von drei Kindern.

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