Die schwerblütige Nachbarin (2)

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In Teil 2 rät mir Kumpel Dante, ins Pornokino zu gehen, um meine Libido wieder anzukurbeln. Ein Urologe erklärt, dass das alles reine Kopfsache sei, bevor die Nachbarin sich beherzt daran macht, die Sache praktisch zu kurieren.

»Ja!« Und wieder heftete sie ihre dunkelblauen Augen auf meinen Mund. So als ob sie meine Worte nicht nur hören, sondern zusätzlich lesen wollte.
»Ich überlege, ob Sex für mich okay ist.«
»Bist du impotent?«

Das war nicht weit hergeholt. Nach dem letzten Absturz, der mich mit über sechs Promille beinahe ins Jenseits befördert hatte, spürte ich viele Monate kein erotisches Verlangen. Anfangs fiel es mir überhaupt nicht auf. Dann glaubte ich, dass meine eingefrorene Libido nichts anderes sei als die Reaktion meines Körpers auf die geistige Forderung, in Zukunft asketisch zu leben. Sobald ich anders denke, würde sich der Unterleib sofort auf die neue Situation einstellen.

Erst ins Pornokino, dann zum Urologen

Dante, ein Rotwein saufender Mitpatient aus der geschlossenen Abteilung, den ich im vergangenen April zufällig in einem Café traf, klärte mich auf: »Die Trinkerei geht auf die Libido. Ich kriege seit Jahren keinen mehr hoch. Das wäre nicht weiter tragisch in meinem Alter, wenn ich nicht unentwegt an Sex denken würde. Das ist echt ein Dilemma.« Er riet mir dazu, Pornokinos zu besuchen und mich vor der Leinwand zu testen. Da er ein erfahrener Alki war, der nicht mehr als unbedingt nötig redete, vertraute ich seinem Tipp. Die drei Male, in denen ich es ausprobierte, waren ein kompletter Reinfall. Nichts rührte sich bei mir. Egal welchen Streifen ich mir anschaute: mein Glied hing schlaff herab. Die Typen neben mir wichsten, was das Zeug hielt. Einige steckten ihre Schwänze durch Glory Holes und ließen sich von anderen einen runterholen oder blasen. Bei mir völlige Fehlanzeige. Ich rief Dante an. Der war schon wieder in der Klinik. Also besuchte ich ihn dort und berichtete über mein Versagen. »Bevor du dich jetzt erschießt, geh zu einem Urologen und lass dich durchchecken.«

Am nächsten Morgen war ich der Erste im Wartezimmer. Ich schilderte dem Arzt mein aktuelles Problem und meinen Suchthintergrund. Er untersuchte mich eingehend, nahm eine Blutprobe und erklärte mir eine Woche später, dass kein körperlicher Befund vorliege. Es würde sich mit 99%-iger Wahrscheinlichkeit um eine reine Kopfsache handeln. Ich sei es immerhin seit Jugend gewöhnt gewesen, Geschlechtsverkehr unter Drogeneinfluss zu praktizieren. »Nun müssen Sie umdenken. Es klappt auch ohne Alkohol. Locker bleiben und nicht verkrampfen«, gab er mir als medizinischen Ratschlag mit auf den Nachhauseweg. Ich traf mich erneut mit Dante. Der war mittlerweile von der geschlossenen in die offene Abteilung verlegt worden. »Sieh’s positiv«, meinte er. »Die Sache mit deinem Schwanz wird sich irgendwann einrenken. Kommt auf die Frau drauf an, mit der du bumst. Im Moment willst du doch eh leben wie ein Mönch, oder doch nicht? So jung, wie du noch bist, brennt nichts an. Du wirst noch viele Ficks erleben.«

Abschied von Dante

»Und du, was ist mit dir?«, erkundigte ich mich. Er sah, obwohl bereits seit über zwei Wochen in der Klinik, blass und ausgemergelt aus. In den Entzügen, in denen ich ihn früher getroffen hatte – und das waren viele gewesen – hatte er sich immer sehr schnell erholt.
»In zwei Tagen bringen sie mich in die Josefstraße.«
»Dahin??«
»Ja. Du hast richtig gehört. Ins Sterbehospiz.«
»Weshalb?«
»Bauchspeicheldrüsenkrebs.«
»Scheiße. Seit wann weißt du es?«
»Zwei Monate.«
»Nix mehr zu machen?«
»Nein. Endstadium. Sie geben mir noch vier Wochen.«

Obwohl Dante beileibe nicht der Erste war, von dem ich erfuhr, dass er bald ins Grab fahren würde und ich mir im Laufe der Jahre einen dicken Panzer zugelegt hatte, um nicht jeden Todesfall an mich heranzulassen, spürte ich bei ihm einen kurzen Stich ins Herz. Spontan umarmte ich ihn.

»Und Waltraut?«
»Die ist natürlich informiert.«
»Wie hat sie die traurige Nachricht aufgenommen?«
»Recht cool.«
»Waltraut?? Die besucht dich jeden Tag, wenn du in der Klinik bist. Seit vielen Jahren. Eine treuere Seele als sie kann ich mir gar nicht vorstellen.«
»Sie nimmt das schon mit. Keine Frage. Allerdings wird sie ebenfalls froh sein, wenn bei dem Trauerspiel endlich der Vorhang fällt. Seit zwanzig Jahren sieht Waltraut mich saufen, bewusstlos zusammenbrechen und mit Schläuchen auf der Intensivstation. Ohne Aussicht auf Besserung der Situation. Der Tod ist eine harte Lösung, aber sicher die vernünftigste für uns beide.«
»Du nimmst es sportlich. Bewundernswert.« Ich schloss ihn ein weiteres Mal in die Arme, wissend, dass ich ihm erst auf seiner Beerdigung wieder begegnen würde. Die fand tatsächlich ziemlich exakt einen Monat nach unserer letzten Unterhaltung statt.

Das war’s dann mit meinem Mönchsleben

»Was ist jetzt mit dir und Sex?«, riss mich Swetlana aus meinen Erinnerungen. Ich erzählte ihr alles von mangelhafter Libido über Pornoschuppen, Arztbesuch, Diagnose und neuen Tests in zwei Bordellen.
»Anstatt dein Geld in Puffs zu verpulvern, hättest du besser mich in ein gutes Restaurant ausführen können.«
»Wäre vernünftiger gewesen. Aber damals kannte ich dich noch nicht.«
»Redest du immer so viel oder handelst du auch manchmal?«
Ich stand auf, ging um den Tisch herum und küsste Swetlana auf den sinnlichen Mund. Sie öffnete ihre Lippen und umspielte mit der Zunge meine Schneidezähne. Mit der Rechten griff ich ihr Genick und drückte sie näher an mich heran. Wir klebten minutenlang aneinander fest.

»Nicht so schlecht für jemanden, der wie ein Mönch lebt.«
»Hat Johannes also über mich geplaudert.«
»Ja, aber sehr nett. Musst nicht immer so misstrauisch von deinen Mitmenschen denken.«
»Habe ich früher auch nicht getan. Ist ein Überbleibsel meiner Jahre in der Psychiatrie.«
»Glaube ich dir. Lass uns aber später darüber reden. Jetzt will ich den Abend genießen.«

Ich reichte ihr die Hand und forderte sie auf, mir zur Couch zu folgen. Die darauf drapierten Kissen und Stofftiere warf ich hinter mich auf den Boden. Auf dem Rücken liegend zog ich sie zu mir hinunter. Ich vergrub die Finger in ihren Locken, während sie meine Ohren streichelte. Zwanzig Minuten lang taten wir nichts anderes, als uns zu küssen. Für mich war es wie das Kosten einer Droge, die ich seit einer Ewigkeit vermisst hatte. Ich konnte nicht genug davon kriegen. Sobald Swetlana sich für eine Sekunde löste, um Luft zu schnappen, saugte ich mich erneut an ihren Lippen fest. Gierig wie ein Vampir, der beim Geruch weiblicher Haut die Beherrschung verliert.

»Das blöde Sofa ist zu schmal. Lass uns das Zimmer wechseln.«
Schweigend ging ich hinter ihr her. Im Stehen streiften wir uns gegenseitig die Pullover über die Köpfe. Ich löste den Hakenverschluss ihres BHs und freute mich darüber, dass ihre Brüste nicht nur groß und wohlgeformt, sondern auch fest waren. Ich beugte mein Gesicht auf ihr Schulterblatt und sog den Duft von Parfüm und feinem Schweiß tief in mich ein. Dann befeuchtete ich die Fingerspitzen und massierte ihre Brustwarzen. Swetlana seufzte leise.
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Hier geht’s zurück zu Teil 1.
Und hier morgen zur Fortsetzung.

Bild von Klaus Hausmann auf Pixabay

Henning Hirsch

Betriebswirt und Politologe, Comicleser, Filmjunkie, Bukowski- und FC- (es gibt nur einen FC: nämlich den aus Köln) Fan, trockener Alkoholiker. In die Abstinenz startete er mit einem Roman: Saufdruck. Seitdem tippt er abends Kurzgeschichten und Gedichte. Da die Schreiberei alleine nicht satt macht, verdient er tagsüber seine Kaltmiete und die Kühlschrankfüllung mit Marketing & Orga. Henning Hirsch lebt im Bonner Süden und ist Vater von drei Kindern.

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