Krankenhausverse

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Als mir die blonde Schwester zwei kräftige Ohrfeigen versetzte, um mich aus dreitägigem Koma aufzuwecken …

| Krankenhausverse: das Erwachen

Als mir die blonde Schwester
zwei kräftige Ohrfeigen versetzte
um mich aus dreitägigem Koma
aufzuwecken und in die Realität zurückzubefehlen
klappte ich unsäglich mühsam die verklebten Lider
nach oben
und starrte mit offenem Mund
auf ihre zum Reinbeißen einladenden
Granatapfeltitten

ein junger Arzt mit blassem Avocadogesicht
stand schweigend hinter der namenlosen Schönheit
protokollierte mit spitzem Stift und
Falkenschnabelmiene
jeden meiner Atemzüge und Pulsschläge
während um uns herum Dunkelheit herrschte
einzelne LED-Lampen flackerten und
verliehen der Szene etwas Unwirkliches
aus blutunterlaufenen Augen erblickte ich
in der Ecke am Fenster einen düsteren Engel

der auf mich gewartet zu haben schien
ich erkannte ihn sofort, denn
er war der schuppenbedeckte Dämon
der mir in meinen Fieberträumen oft die Fahrt
ins ewig dämmerige Nebelreich angeboten hatte
dort wo ich keine Schmerzen mehr spüren
und ewige Ruhe finden würde
„nein!“, schrie ich aus aufgeplatzten Lippen
bäumte mich kurz auf

und fiel zurück in die Kissen
„er kommt zu sich. Gottseidank“, flüsterte die Blonde
während der Arzt weiterhin schwieg
mich argwöhnisch wie einen Dieb betrachtete
der bleiche Mann erhob die Hand zum Abschied
öffnete, als ob er mir etwas zurufen wollte, den Mund
und heraus quollen Millionen klebrige Kakerlaken, die
in Windeseile das Zimmer überfluteten

„leck mich!“, hauchte ich
„der Patient hat’s überlebt“, hörte ich den
Vogelköpfigen
zur Pfirsichfarbenen sagen
„passen Sie auf, dass er sich nicht von den
Schläuchen losreißt wie vor vierzehn Tagen“
und während mir die polnische Bardot zart
den auf der Stirn perlenden Schweißt abwischte
mein Kreislauf mit Tempo 200 Achterbahn durch die
dick hervorquellenden Adern fuhr, raunte es
unsichtbar
vom Fenster: „beim nächsten Mal nehme ich dich
endgültig mit“

(c) H.H.

Bild von OpenClipart-Vectors auf pixabay

Henning Hirsch

Betriebswirt und Politologe, Comicleser, Filmjunkie, Bukowski- und FC- (es gibt nur einen FC: nämlich den aus Köln) Fan, trockener Alkoholiker. In die Abstinenz startete er mit einem Roman: Saufdruck. Seitdem tippt er abends Kurzgeschichten und Gedichte. Da die Schreiberei alleine nicht satt macht, verdient er tagsüber seine Kaltmiete und die Kühlschrankfüllung mit Marketing & Orga. Henning Hirsch lebt im Bonner Süden und ist Vater von drei Kindern.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Ingrid Dorner

    Er sollte Drehbücher schreiben … grandios!

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