Tagebuch 31. Dezember

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Hokusai malte 100 Ansichten des Fuji und stoppte dann. Keine einzige mehr. Warum er die Zahl 100 wählte – und nicht 80 oder 120 –, weiß ich nicht. Aber mir imponiert seine Konsequenz des Loslassens.

Tagebuch 31. Dez.

Hokusai malte 100 Ansichten des Fuji und stoppte dann. Keine einzige mehr. Warum er die Zahl 100 wählte – und nicht 80 oder 120 –, weiß ich nicht. Aber mir imponiert seine Konsequenz des Loslassens.

Ich habe in diesem Jahr bereits 1263 Beiträge und 2827 Kommentare in Facebook getippt und dabei meine Beiträge in Twitter & Instagram gar nicht hinzu gezählt. Obwohl diese deutlich weniger sein dürften.

Und ich frage mich nun zweierlei:
(a) wem nützt es, dass ich 1263 Beiträge und 2827 Kommentare in Facebook pro Jahr hinterlasse?
(b) könnte ich genau wie Hokusai von einem auf den anderen Tag stoppen, weil ich denke: Jetzt sind alle Sachen, die ich sagen wollte, endlich gesagt; was grundlegend Neues werde ich nicht mehr zu sagen haben?

Während ich über Hokusais 100 Ansichten des Fuji nachdenke, schreibe ich hier bereits den 1264-sten Facebook-Beitrag, dem evtl. bis Mitternacht noch weitere (allerdings nicht viele) folgen werden.

Was hat Hokusai getan, als er mit der 100-sten Ansicht des Fujis fertig war? Sich einen neuen Berg gesucht? In seinen Lehnstuhl gesetzt und bis zum Lebensende den Feuilleton der Zeitung studiert? Seinem Dasein ein abruptes Ende gesetzt? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht.

Was ich aber mittlerweile weiß: Die 1263 Beiträge und 2827 Kommentare nützen vor allem mir selbst, die Zeit totzuschlagen. Ob mich diese Erkenntnis deprimiert? Nein, tut sie nicht. Denn wir alle schlagen ja mit irgendwas die Zeit tot, während wir auf irgendwen (die Traumfrau, den Besuch des heimlichen Geliebten) oder irgendwas (eine Zahnwurzelbehandlung, den eigenen Tod) warten. Social-Media-Beiträge sind da nicht so viel anders als Fuji-Ansichten; wenngleich Fuji-Ansichten malen als Zeit-totschlag-Beschäftigung natürlich besser klingt als Facebook-Posts tippen.

Mein Ziel für 2021: Reduktion meiner Kommentare um 25%.
Man muss ja wirklich nicht ständig alles kommentieren, bloß weil einem nichts Besseres zum Zeit totschlagen einfällt.

Bild von Thiago Regina auf Pixabay

Henning Hirsch

Betriebswirt und Politologe, Comicleser, Filmjunkie, Bukowski- und FC- (es gibt nur einen FC: nämlich den aus Köln) Fan, trockener Alkoholiker. In die Abstinenz startete er mit einem Roman: Saufdruck. Seitdem tippt er abends Kurzgeschichten und Gedichte. Da die Schreiberei alleine nicht satt macht, verdient er tagsüber seine Kaltmiete und die Kühlschrankfüllung mit Marketing & Orga. Henning Hirsch lebt im Bonner Süden und ist Vater von drei Kindern.

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