„Wenn du es wagst, mich zu berühren, schieße ich dir eine Kugel in den Kopf“ …

| Zwei verkorkste Leben

Zwei grüne Augen phosphoreszieren in der
Wohnzimmerdämmerung
eine müde Stimme flüstert: „Komm her zu mir
sei nicht so schüchtern!“
ich rühre mich nicht von der Stelle
betrachte stumm ihre buttermilchweißen
Schulterblätter

Sie gibt die Rolle der unverstandenen Frau
spielt sie heute für mich
und morgen für den nächsten unvorsichtigen Idioten
halbgesenkte Lider, die langen Wimpern knirschen

Sie fragt: „Magst du mich denn gar nicht mehr?“
es klingt wie eine Kontopfändung
ich schweige
mir fallen keine klugen Worte ein

Ich blicke auf verspiegeltes Schaufensterglas
dahinter verbergen sich hundert tote Räume
alle leer
genauso verwaist wie ihre und meine Seele

„Wenn du es wagst, mich zu berühren
schieße ich dir eine Kugel in den Kopf“
faucht meine Vorstadt-Jessica
wechselt blitzschnell von vertraulich zu verächtlich

Sie hat mich gerührt, verstimmt
entflammt, abgekühlt
sämtliche Stadien der Leidenschaft durchlaufen
lassen
und das im Zeitraffer von 24 Stunden

In der Nacht
als wir bei einer Flasche Bourbon
unsere verkorksten Lebensgeschichten beichteten
hätte ich mich von ihr auspeitschen lassen

Jetzt sehe ich ein dämonisches Dummchen
sich neckisch auf dem Sofa räkelnd
dessen Daseinszweck darin besteht
schwache Männer zu umgarnen

„Verschwinde endlich aus meinem Haus!“, ruft sie
ich zögere, denn der Abschied wird endgültig sein
dann drehe ich mich grußlos um
lasse die vereinbarten 400 Euro auf der Kommode
liegen

(c) H.H.

Bild von: stux auf pixabay